Über einen zeitgemäßen Umgang mit Fleisch
Seit 26 Jahren haben wir im Marktladen Bio-Fleisch – und Wurstwaren im Angebot. Wir meinen, dass dies im Sinne einer bäuerlichen-biologischen Kreislauf-Landwirtschaft ist. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach leben in Deutschland 6,31 Millionen Vegetarier oder Menschen, die weitgehend auf Fleisch verzichten. Wer allerdings Käse und Milchprodukte auf dem Speisezettel hat und sich ebenso über ein Frühstücksei freut, lebt von der Tierhaltung auf den Höfen. Und das geht nur, wenn Tiere auch geschlachtet werden. Denn es sind ca. die Hälfte männliche Tiere, die das Licht der Welt erblicken. Deshalb gibt fast eine Million Menschen hierzulande, die ganz oder weitgehend auf tierische Nahrungsmittel verzichten. Die Debatte über die „richtige“ Ernährung wird hitzig geführt. Leider wird jedoch der Blick weniger auf die Unterschiede in der Erzeugung gerichtet. Dabei gibt es aus unserer Sicht große Unterschiede zwischen konventioneller Fleischerzeugung und regionaler oder bäuerlicher Landwirtschaft, die eine biologische Kreislaufwirtschaft betreibt.
Folgende punkte erscheinen uns wichtig für einen verantwortungsvollen Fleischkonsum:
A – Energiebilanz und heimische Futtermittel
Die Umwandlungsrate von pflanzlichen in tierische Kalorien schwankt im Idealfall zwischen 2:1 bei Geflügel, 3:1 bei Schweinen, Milch und Eiern und 7:1 bei Rindern. Das heißt: Nur noch Geflügel essen!? Nein, denn Rinder und Schafe fressen von Haus aus Gras. Mehr als zwei Drittel der weltweiten Agrarfläche ist Weideland. Wo Tiere Pflanzen fressen, die sich zur direkten menschlichen Ernährung nicht eignen, sind sie keine Nahrungsmittelkonkurrenz, sondern erhöhen das Lebensmittelangebot und leisten in vielen Regionen der Erde wichtige Beiträge zur Produktion. Sie liefern Dünger, tragen zur Bodenbearbeitung bei, arbeiten als Zug- und Transporttiere, verwerten Abfall und steigern die Ertrags- und Ernährungssicherheit der Besitzer.
In der sogenannten Ersten Welt ist die Fleischerzeugung allerdings zur Industrie verkommen. Die Produktionsanlagen sind riesig, im Futtertrog landet „Kraftfutter“ aus Soja, Raps, Mais, Weizen und anderem Getreide von Ackerflächen, die der direkten Lebensmittelproduktion verloren gehen. Besonders problematisch wird dies, wo die Nahrungsmittelkonkurrenz in andere Länder oder Regionen „ausgelagert“ wird. Die Europäische Union etwa importiert mehr als 70 Prozent der Eiweißpflanzen für ihr Tierfutter, vor allem Sojabohnen und Sojaschrot, aus Brasilien, Argentinien, Paraguay und den USA. Die dort dafür benötigte Fläche entspricht über 20 Prozent der gesamten Ackerfläche der EU. Für den Anbau werden Urwälder abgeholzt und riesige Weidegebiete in Äcker verwandelt. Eine Katastrophe für die globale Artenvielfalt und den Klimaschutz; aber auch ein Raubbau an Bodenfruchtbarkeit durch die Monokulturen.
B – Medikamenten Einsatz und Tierhaltung
Sogenannte Mast-Hilfsmittel, häufig Antibiotika, müssen verboten beziehungsweise ausschließlich im überwachten Einsatz für kurative Zwecke eingesetzt werden. Die Gefahr von multiresistenten Keinem auch durch den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast steigt rasant an. Eine aktuelle Analyse von Germanwatch vom April 2019 hat ermittelt, dass Billig-Hähnchen aus Discountern zu 56 Prozent mit Keimen kontaminiert sind, die resistent sind gegen Antibiotika. Und es kommt noch schlimmer: Mehr als jedes dritte Hähnchen war mit resistenten Keimen gegen sogenannte Reserveantibiotika belastet. Diese sollen eigentlich als letzte Waffe für uns Menschen dienen, wenn alle anderen Antibiotika bei einer Erkrankung nicht mehr wirksam sind.
Grund für den Einsatz sind unter anderem die katastrophalen Haltungsbedingungen in der industriellen „Tierproduktion“. Ebenfalls im Zusammenhang mit diesen unsäglichen Aufstallungssystemen steht die Amputation von Schnäbeln und Schwänzen, um gegenseitige Verletzungen der Tiere zu verhindern. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik der Bundesregierung kritisiert, dass „die derzeitigen Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztiere vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels und neuer wissenschaftlicher Bewertungsansätze nicht zukunftsfähig sind."
C – Regionale Vermarktung
Tiertransporte verursachen in Deutschland und weit darüber hinaus millionenfaches Tierleid. Die Transportwege für lebende Tiere zu riesigen, zentralen Schlachthöfen sind immens und müssen drastisch verkürzt werden, was eine Schlachtung und Vermarktung in der Region erforderlich macht. Die Viehwirtschaft und ihre Lieferketten sind jährlich für den Ausstoß von 7,1 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich. Das sind 14,5 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen.
„Fast jeder Kauf eines Nahrungsmittels beeinflusst indirekt die Natur in der Ferne. Für einen Hamburger etwa werden Rinder geschlachtet, die auf südamerikanischen Weiden stehen oder in hiesigen Ställen mit Soja aus Südamerika gefüttert werden. Dafür werden dort Wälder gerodet, die ursprüngliche Artenvielfalt wird zerstört“, erklärt das Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in einer Pressemitteilung.
Wir vom Marktladen sind der Meinung, dass es in vielerlei Hinsicht vernünftig ist, sich mit Obst und Gemüse aus biologischer Produktion zu ernähren. Berücksichtigen wir noch viel stärker das regionale Angebot in unserem Ernährungsverhalten, dann machen wir schon sehr viel richtig. Aber wir sind auch der Ansicht, dass es für eine regionale und bäuerliche Landwirtschaft unabdingbar ist, Tiere zu halten und damit entsprechend tierische Lebensmittel anzubieten. Die Produkte garantieren höchste Qualität und Wertigkeit. Und dies hinsichtlich ihrer Erzeugung als auch was die Inhaltsstoffe und den Genuss der Produkte betrifft. Tiergerechte Haltung, keinerlei Futtermittel aus Übersee, viel Grundfutteranteil (Heu und Gras), keine Antibiotika als „Masthilfsmittel“, keine Farbstoffe im Legehennenfutter, keine Aromen oder künstliche Bindemittel in der Wurst, kein oder sehr geringer Einsatz von Nitritpökelsalz in der Wurst- und Schinkenproduktion, kurze Transportwege und handwerkliche Metzgerarbeit.
Preisunterschiede
In einer im Herbst 2018 veröffentlichten Doktorarbeit der Uni Augsburg geht es um die wahren Kosten der Lebensmittelerzeugung in Deutschland. Es geht also um die Frage, wie teuer müssten unsere Lebensmittel im Supermarkt sein, um alle, auch die externen, also ausgelagerten bzw. vergesellschafteten Produktionskosten, auf die Endverbraucherpreise umzulegen. Mit großem Abstand kommt die konventionelle Fleischerzeugung am schlechtesten weg. Dies bedeutet, dass die verursachten Kosten der konventionellen Fleischerzeugung in Form von Gewässerbelastung, Artensterben, Pestizidbelastung und vielem anderen mehr sich in den Supermarktpreisen in keiner Weise niederschlagen. Die Produkte müssten eigentlich deutlich teurer sein.
In einer Doktorarbeit mit dem Titel: „How much is the dish?“ – Was kosten unsere Lebensmittel wirklich? Steht unter anderem als Fazit:
„Über alle Lebensmittelkategorien hinweg ist zu beobachten, dass sich die Preisdifferenz zwischen beiden Produktionsweisen nach einer Internalisierung zugunsten der biologischen Alternative verringert. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die aktuelle Bepreisung biologischer Lebensmittel deren tatsächlichen Preis treffender wiedergeben. Demgegenüber erscheinen konventionelle Produkte tierischen Ursprungs deswegen als relativ billig, da die mit ihnen verbundenen, höheren Folgekosten aktuell nicht Eingang in die Preissetzung finden.“